Wie unterscheidet sich eine mehrwöchige Fernwanderung auf dem Jakobsweg von Wochenendtouren in der Heimat? Ein Vergleich, ein Erfahrungsbericht vom Jakobsweg und eine Hommage ans Wandern und Pilgern.
Wer gerne wandern geht, denkt sich: Hauptsache raus!
Wer wandern liebt, der ist am liebsten einfach draußen in der Natur unterwegs. Man schnürt seine Wanderschuhe, wenn das Wetter es zulässt, und genießt dieses besondere Gefühl, das sich einstellt, wenn man die Stadt verlässt und auf ruhigeren Pfaden läuft: An Bächen entlang, über Berge, durch Wälder, offene Felder und Wiesen.
Tagestouren und Tageswanderungen lassen sich perfekt in den Alltag integrieren und am Wochenende unternehmen. Meist gibt es in der Heimat auch zahlreiche Touren und Rundwanderwege, die zumindest einigermaßen gut und schnell vom Zuhause erreichbar sind.
Wunderbar wandern vor den Toren Kölns
Hier in Köln bei mir kann man beispielsweise in einer guten halben Stunde ins Bergische Land oder ins Siegtal zum Wandern herausfahren mit der Bahn. Dort gibt es zig schöne Strecken mit einer Länge von 9 bis 15 Kilometern, und ich bin hier sehr gerne unterwegs. Wenn man etwas länger mit dem Zug fährt, gibt es in der Eifel zudem noch viele Touren.
Sehr gerne erinnere ich mich aber auch an meine Pilgerwanderungen in Spanien und Portugal auf dem Jakobsweg. Grundsätzlich ist das Wandern an sich auf dem Jakobsweg sehr ähnlich und vergleichbar zu den Tagestouren in meiner Heimat: Man folgt Wegmarkierungen und Ausschilderungen und durchwandert verschiedenste landschaftliche Regionen, mal bergiger, mal flacher und so weiter.
Wie sich eine Pilgerwanderung von Tagestouren in deiner Heimat unterscheidet
Dennoch unterscheidet sich solch eine Pilgerwanderung natürlich auf eine Art immens von einer Tagestour vor der Haustüre – und genau darüber möchte ich heute ein paar Worte schreiben, um dir einen Eindruck zu geben, wie es sich anfühlen kann, auf Pilgerreise zu sein.
Denn eventuell ist das ja auch etwas, was dich einmal reizen könnte, so eine Fernwanderung zu unternehmen? Und vielleicht hast du dich schon das ein oder andere Mal gefragt, wie sich das konkret anfühlen könnte?
In meiner Erfahrung hat eine mehrwöchige Pilgerreise viel mehr Abenteuercharakter. Du bist ja nicht nur für sechs Stunden weg aus deinem Alltag, sondern ggf. für ganze sechs Wochen (oder zumindest drei Wochen etc.). Man erlebt also sehr viel und es ist sehr dicht von den Eindrücken.
Abenteuer pur
Zum Wandern gesellt sich bei einer Fernwanderung ja noch die Aspekte dazu, dass du eine Unterkunft brauchst, und auch Mahlzeiten einnehmen musst oder willst. Gerade beim Thema Unterkunft ist der Jakobsweg nochmals speziell und unterscheidet sich vielleicht auch mehr von anderen Fernwanderwegen:
Denn hier auf den Jakobswegen in Spanien, wie z.B. dem Camino Francés, aber auch auf dem portugiesischen Weg, dem Camino Portugues, gibt es sehr viele spezielle Unterkünfte nur für Pilger.
Sprich: Hier dürfen normale Touristen und Leute, die einen Städtetrip machen, gar nicht hinein (übrigens sucht man auf deutschen Jakobswegen solche Unterkünfte meist vergeblich).
Besonderheit: Die Unterkünfte unterwegs
In diesen sogenannten Pilgerherbergen kommt man nur mit einem speziellen Ausweis hinein, dem Pilgerausweis, und auch dieser muss mit Stempeln die Pilgerwanderung dokumentieren. Die Pilgerherbergen ermöglichen es einem, für sehr wenig Geld (ca. 5 Euro bei öffentlichen Herbergen, und 10-15 Euro bei privaten Herbergen) zu übernachten.
Eine weitere Besonderheit dieser Unterkünfte ist, dass es häufig sehr gesellig zugeht. Es handelt sich hier nicht um Pensions-artige Unterkünfte, wo jeder sein Einzelzimmer mit seinem Rückzugsraum und seiner Privatsphäre hat. Vielmehr gibt es hier Schlafsäle, wo je nach Herberge zwischen vier und bis zu ein paar Dutzend Menschen einen Schlafsaal teilen.
Auch das Abendessen wird häufig gemeinsam eingenommen und man wird häufig – gegen einen Aufpreis – bekocht von den Leuten, die die Herberge betreiben oder hier sogar ehrenamtlich arbeiten.
Hospitaleros – „Engel der Herbergen“
Solche sogenannten „Hospitaleros“ sind freiwillige Helfer, die in der Regel selbst vor einiger Zeit einmal pilgern gegangen sind und aus Dankbarkeit für ihre Erfahrung etwas zurückgeben wollen an den Jakobsweg.
Dass die Hospitaleros nicht nur als Köche, Putzfeen und „Bettenzuweiser“ fungieren, sondern oftmals auch in ihrer Fähigkeit als Zuhörer und Gesprächspartner gefragt sind, zeigt auch dieser Podcast, wo zwei Hospitaleros von ihren Erfahrungen berichten.
Denn klar: Wer wochenlang alleine mit Rucksack in einem fremden Land unterwegs ist, der ist froh, wenn er hier und da jemanden mit einem offenen Ohr findet, der Fragen beantworten kann oder auch mal eine Umarmung geben kann, wenn die Etappe hart war oder die Einsamkeit mal anklopft – alles Dinge, die unterwegs passieren können.
Begegnungen und Geselligkeit in den Herbergen
In meiner Erfahrung sind diese Pilgerherbergen sehr speziell: Es kann total schön sein, diese familiäre Geselligkeit und Gemeinschaft zu erleben, und man kann dort Begegnungen erleben und Menschen kennenlernen, mit denen man dann gemeinsam vielleicht weiterpilgert am nächsten Tag oder Gespräche führt, die einem in Erinnerung bleiben.
Denn viele der Pilger sind alleine unterwegs, und durch das stundenlange Wandern jeden Tag sind auch alle recht offen und wenn man möchte, kann man oft sehr gute und tiefe Gespräche führen.
Auf der anderen Seite kann das Übernachten in diesen speziellen Unterkünften natürlich auch mal herausfordernd und anstrengend sein – einfach aus dem Grund, weil man so viele Menschen nicht gewohnt ist, vielleicht hier und da mal seine Privatsphäre vermisst oder blöderweise einen starken Schnarcher zwei Betten neben sich liegen hat.
Vor- und Nachteile von Pilgerunterkünften
Für solche Fälle gibt es dann auch auf dem Jakobsweg glücklicherweise Pensionen und Hotels, wo man alternativ übernachten kann. Eines sollte man sich jedoch klarmachen und wissen: Das Pilgergefühl, welches auch durch die Gemeinschaft und die Herbergen entsteht, wird man dort kaum bis gar nicht erleben können.
Daher würde ich jedem angehenden Pilger aus meiner Erfahrung ermuntern, zumindest ein paar Mal in solche Pilgerherbergen einzukehren und mit offenem Herzen zu schauen, was ihn dort erwartet. Die ungeplanten Begegnungen mit Pilgern aus sämtlichen anderen Ländern der Welt sind oftmals sehr bereichernd und ich denke heute noch an manche zurück!
Die sprachliche Barriere – oder ist sie keine?
Was das Ganze Erlebnis einer Pilgerwanderung oftmals noch zusätzlich aufregend macht, ist die meist existierende (kleine) Sprachbarriere. Die aller wenigsten von uns sprechen gut Spanisch (oder Portugiesisch). Und zwar kommt man mit Englisch auf dem Jakobsweg in der Regel auch ganz gut weiter, dennoch:
Erstens können viele Pilger auch nicht gut und sicher Englisch sprachen und zweitens gibt es gerade in kleineren Ortschaften oder auf weniger stark ausgebauten Pilgerwegen in Spanien, wie z.B. auf dem Camino del Norte oder der Via de la Plata, viele ländliche Regionen, wo die Einheimischen kein Englisch sprechen.
(Warum sich ein Urlaub oder eine Reise ins ländliche Nordspanien trotzdem lohnt, darüber habe ich in meinem Nordspanien-Erfahrungsbericht geschrieben).
Irgendwie schafft man es, sich zu verständigen – doch der Abenteuercharakter der Pilgerreise wird aus meiner Erfahrung definitiv nochmals verstärkt durch die häufig existierende kleine Sprachbarriere. Hier kann ein Deutsch-Spanisch-Wörterbuch echt helfen.
Körperliche Herausforderung Pilgern
Zu guter Letzt ist das ganze natürlich auch körperlich eine Herausforderung, denn: Während du nach Tageswanderungen am Samstag oder Sonntag in deiner Heimat in der Regel dann während der folgenden Arbeitstage deinen Körper wieder ausruhst und regenerierst, läufst du auf dem Jakobsweg in der Regel dagegen am nächsten Tag bereits wieder weiter.
Das bedeutet, dass die Füße, Beine und der gesamte Körper (mit dem oftmals schweren Rucksack auf dem Rücken) hier viel stärker gefordert und belastet werden, als bei Tagestouren zu Hause. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich hier nur den Tipp geben, gerade die erste Tage auf dem Jakobsweg es langsam angehen zu lassen.
Ich habe leider viele Pilger gesehen und getroffen, die „übertrieben“ haben mit ihren Etappen in den ersten Tagen mit einer Mischung aus Naivität und falschem Konkurrenzdenken sowie mangelndem Gefühl für die Grenzen des eigenen Körpers.
Tipp: Langsam starten statt maßlos selbst überschätzen
Einige davon haben ihre Erfahrung teuer bezahlen müssen, etwa mit Pausentagen, die sie dann einlegen mussten. Schlimmstenfalls mussten Pilger sogar ihre ganze Reise abbrechen, weil der Körper so überlastet wurde.
Mein Tipp wäre daher: Es ruhig angehen lassen, die ersten Tage das Pensum langsam steigern von den Etappenlängen (zum Glück geht das auf den bekannten Jakobswegen, wie dem Camino Francés, wo es eine sehr gute Infrastruktur mit Unterkünften gibt).
Dabei ist es ratsam, immer auf den eigenen Körper zu hören, anstatt sich mit anderen Pilgern zu vergleichen, die vielleicht ganz andere körperliche Voraussetzungen und eine andere Grundfitness mitbringen.
Ausrüstung zum Pilgern
Unterstützen kann man den eigenen Körper mit einer passenden Wanderausrüstung: Wichtig sind hier vor allem gut sitzende und nicht zu kleine Wanderschuhe.
Die sollte man vor dem Start auf jeden Fall gut eingelaufen haben und ausreichend getestet. Spezielle Socken zum Wandern, wie die für Pilger gemachten Wrightsocks, die sich in Tests als sehr gut bewiesen haben, helfen ebenfalls dabei, Blasen vorzubeugen.
Zudem kann man seine Füße morgens und abends eincremen. Blasenpflaster sollten natürlich trotzdem vorsorglich zur Checkliste für den Jakobsweg dazugehören. Beim Thema Rucksack würde ich einen Rucksack empfehlen, der nicht zu klein, aber auch nicht zu groß ist.
Checkliste für den Jakobsweg
30 bis 50 Liter sind eine Orientierung, eine Auswahl von zum Pilgern geeigneten Modellen findest du beispielsweise in diesem Artikel. Übrigens: Helfend zur Seite stehen bei Fragen zum Jakobsweg auch die vielen Jakobusgesellschaften in Deutschland. Eine Übersicht findest du hier.
Vor dem Aufbruch daheim eignet es sich, eine Probewanderung zu unternehmen, um zu prüfen, ob der Rücken gut mit dem gepackten Rucksack umgehen kann oder ob man zu viel Gepäck dabei hat. Ist dann irgendwann alles so gepackt, dass der Körper „Ja“ sagt, heißt es:
„Auf geht’s ins Abenteuer Jakobsweg, mit etwas Aufregung und Schiss, aber auch viel Lust!“
Unser Autor Christoph (mehr über uns) liebt das Draußen sein und geht am Wochenende und in seiner Freizeit gerne Wandern.
Er erinnert sich aber auch gerne an seine mehrwöchigen Pilgerwanderungen in Spanien auf dem Jakobsweg zurück.
Wie sich solch eine Fernwanderung und Pilgerreise von Tagestouren unterscheidet, und wie es sich anfühlen kann, pilgern zu gehen, erzählt er in diesem Erfahrungsbericht vom Jakobsweg.